Ja, hier steht normalerweise ein Spielbericht. Eine Zusammenfassung über unsere Leistung aus dem letzten Spiel und wie diese zustande kam und zu deuten ist. Das letzte Spiel fand am 10.05. in Pankow statt und ging mit 34:29 verloren. Dieses Spiel hat nichts falsch gemacht, dass es keinen eigenen Spielbericht bekommt. Es hat lediglich das Unglück das vorletzte Spiel der Saison zu sein und dann noch ein Auswärtsspiel. Im Umkehrschluss findet unser letztes Saisonspiel in der heimischen Eile statt. Auch das wäre für sich noch kein guter Grund. Letzte Saisonspiele haben eine besondere Magie. Es ist der Abschluss der Saison, für manche Teams geht es noch um viel, für die meisten darum sich anständig aus der einen und in die neue Saison zu verabschieden. Es ist ein Zeitpunkt um innezuhalten, um zurückzublicken auf die Saison. Auf die Höhen und Tiefen, Stärken und Schwächen einer Spielzeit, auf das Geleistete. Und auch ein Zeitpunkt, um nach vorn zu schauen. Auf die Aufgaben, die vor einem liegen. Als Team, als Spieler, als Mensch, um gut gewappnet in der neuen Spielzeit anzugreifen, sich zu entwickeln, zu verbessern. All das könnte man aber auch nach einem letzten Spiel beschreiben oder nicht? Stimmt!
Manchmal sind letzte Saisonspiele aber auch mehr als nur das letzte Spiel einer Saison. Für manche Spieler, für wenige Spieler, ist ein letztes Saisonspiel gleichzeitig auch das letzte Spiel. Das letzte Spiel bei einem Verein oder das letzte Spiel in einer Karriere. Es gibt kein Blick nach vorn mehr auf die nächste Saison. Kein Vornehmen nochmal anzugreifen. Keine spielerischen Ideen, die man hofft umsetzen zu können. Es gibt nur den Rückblick. Den Rückblick auf eine Karriere, seine eigene Karriere in einem tollen Sport, mit einem großartigen Team um sich herum, mit tollen Trainern, mit fantastischen Kontrahenten über die Jahre und ausgezeichneten und ehrenwerten Schiedsrichter*Innen und überragenden Fans in grün und weiß. Auch das könnte man nach einem letzten Spiel zu Papier bringen. Nur kann man nach einem Spiel nicht mehr dafür sorgen, dass vor diesem Spiel so viele Leute wie möglich in die Halle kommen. Dann ist es nämlich zu spät. Daher, sorry Handballfreunde Pankow, wird das hier etwas anders. Ist es ja schon.

Wenn man beginnt einen Sport zu spielen, sagen wir für das Beispiel einfach mal „Handball“, ist man in der Regel noch relativ jung. Fünf, sechs, sieben oder neun, zehn oder ölf Jahre alt. Es ist oft ein erstes richtiges Hobby. Etwas das man tut, weil man es will, freiwillig, selbst bestimmt. Man nervt die Eltern, dass man da hinwill und man lässt andere Dinge, die in dem Alter ebenfalls spaßig sind, beiseite. Der Handball kommt zuerst. Man geht zum Training und verschiebt das Treffen mit Freunden und Freundinnen auf die Tage an denen kein Training stattfindet. Man hat am Wochenende Spiele oder Turniere und kann die Großeltern eben nur an dem anderen Wochenendtag besuchen.  Es ist eine erste junge Liebe zu etwas, eine Verpflichtung, eine Verantwortung. In dem Alter denkt man noch nicht über die Vergänglichkeit von Dingen nach. Über das Ende. Das ist auch gut so. In dem Alter passiert alles noch sehr schnell. Schule, Freunde, Handball, Familie und puff…ist man Erwachsen. Oder zumindest in dem zeitlichen Bereich des Lebens. Die Schule ist vorbei. Man beginnt eine Lehre, Ausbildung, Studium, Job. Frauen und/oder Männer, Partys, Alkohol und laute Musik werden interessanter. Der Handball bleibt. Man spielt mittlerweile bei den Erwachsenen. Ob nur im Training oder bereits vollständig im Kader ist hierbei unwichtig. Die Zeiten, in denen man in seiner Jugend rasiert hat sind vorbei, oder auch nicht. In jedem Fall lernt man den Sport nochmal ein wenig neu kennen. Die Physis der Konkurrenz nimmt zu und die Alten quatschen ganz viel, belehren einen, fordern einen, zuhören tut man wenig, sind ja auch nur „die Alten“, was wissen die schon. Man hat jetzt vermutlich ein wenig mehr Verantwortung als noch als Schüler oder Schülerin, steht vielleicht noch zeitiger auf als zur Schule und hat nochmal einen strafferen Zeitplan als zuvor. Und man trainiert und trainiert und spielt und spielt und wächst und wächst, Lehre, Ausbildung, Studium sind irgendwann vorbei, man fängt an zu arbeiten, also so Vollzeit und so. Die ersten Familien werden gegründet und auf einmal ist man 30. Der Rücken fängt an zu zwicken, der erste Schritt lässt nach und aus der Schulter ist auch schonmal mehr rausgekommen. Die Trainingsbeteiligung sinkt alters- und lebensentsprechend. So langsam gibt es wichtigere Dinge im Leben als den Handball, viel sind es aber nicht. Arbeit, Familie, Handball, oft in der Reihenfolge, obwohl Handball im Alltäglichen der Familie auch gern mal die Leitplanken vorgibt. So langsam gehört man zu den Älteren. Neue Mitspieler sind über 10 Jahre jünger. Kennen die eigene Musik nicht mehr: „Wer ist Blümchen?“ – „WHAT?“, immer diese Jugend. Man hat mittlerweile so viel Wissen zu teilen und plappert die ganze Zeit. Zuhören will keiner. Man schleppt sich mittlerweile von Jahr zu Jahr. Die Kinder kommen in die Schule, Häuser werden oder sind gebaut oder Beziehungen gehen kaputt, kann alles passieren. Mit Mitte 30 ist der Körper nun spürbar eingeschränkt: Rücken, Knie, Ellenbogen, Schulter, Hüfte, Handgelenke…jeder der bis 35 Handball spielt und sagt ihm tut nichts weh, der lügt. Mit 36 sind die jüngsten Mitspieler 18 Jahre jünger. Eine Volljährigkeit entfernt, ein ganzes Leben oder eine Handballkarriere im Seniorenbereich. So langsam setzt die Gewissheit ein, dass es vorbei ist, vorbei sein sollte, vorbei sein muss. Es ist das Ende eines Lebensabschnitts, des schönsten Hobbys der letzten knappen 30 Jahre, es ist vorbei (bei bei Junimond).

Bei den 1. Herren von TuS Hellersdorf haben diesen oder einen ähnlichen Weg alle Spieler bestritten. Ihn verlassen hat bereits einer im vergangenen Jahr, fünf werden am kommenden Sonntag folgen.
Mit Robert Basler, Mario Schubert, Nico Wenzel und Hendrick Muth verliert TuS Hellersdorf nicht nur den noch verbliebenen großartigen eigenen 1988/89er Jahrgang der Herren, sondern auch absolute Identifikationsfiguren des Vereins der letzten 30 Jahre. Schubi, Nico, Muth und Basler waren seit Jugendtagen an die tragenden Säulen der Mannschaft. Mit dem Aufstieg von TuS Hellersdorf in die Verbandsliga zur Saison 2013/2014 erreichte TuS Hellersdorf seinen vorzeitigen sportlichen Höhepunkt. Schubi war durchgängig einer der 5 besten Spieler dieser Liga. Ein Kapitän wie man ihn sich backen möchte. Leistungsstark an beiden Enden des Feldes, leitet an, motiviert, kritisiert, entscheidet. Es gibt niemanden der etwas Schlechtes über Schubi sagen kann. Basler über alle Jahre ein Derwisch an beiden Enden des Feldes. Mit allen Freiheiten ausgestattet, war er meist Segen mit starken, überraschenden Abwehraktionen und individuellen Schlagwürfen am Mann. Seltener Fluch, wenn all das genau ins Leere lief. Basler hat stets die Mentalität des Teams gesetzt und eingefordert, der Aggressiv Leader auf Neudeutsch. Über mehr als ein Jahrzehnt war Nico der individuelle Dosenöffner des Teams. Festgefahren im Positionsangriff? Lange kein Tor gemacht? Kein Problem! Nico auf Halblinks für einen 1:1 freigespielt ging immer. Basti Viehstädt (SG Blau-Weiß) erzählt bis heute wie scheiße er den „Wenzelschen Frosch“ (Sprungwurf-Finte und abgeprellt) von Nico findet, geklappt hats fast immer. Muth am Kreis, immer für eine schlaue Sperre vorn oder überraschend flinke Füße hinten zu haben. Das Leben eines Kreisläufers ist manchmal undankbar, ohne Muth wäre viel von dem Erfolg von TuS Hellersdorf nicht möglich gewesen. Die Jugendausbildung von Gabi Janke hat die Jungs weit getragen. Mit Schubi (30 Jahren), Muth (29), Nico (23) und Basler (20) verlassen 102 Handballjahre den Verein. Hinzu kommen mit Tim Wenzel (14) und Zenker (11) weitere 25 Jahre im Verein. Beide kamen in unterschiedlichen Karrierephasen vom Bezirksrivalen Eintracht Berlin und waren seitdem beständige und zuverlässige Bestandteile des Kaders. Klingt nicht nach viel, aber nicht jeder kann Starspieler sein, ein Team besteht aus mehr als 7 Spielern und allein gewinnt niemand ein Spiel.
Leider reichen die statistischen Aufzeichnungen des HVB nur bis zur Saison 17/18 (dank an Fabi Schütze für die Zuarbeit), deswegen musste der Rest extrapoliert werden. Diese 6 Spieler haben aber seit dem Aufstieg in die Verbandsliga (heute Oberliga) zur Saison 2013/2014 über 3.500 Tore erzielt und über 1.000 Ligaspiele absolviert. Schubi war mehrmals Torschützenkönig. Ins HVB-Pokal Final4 haben wir es leider nie geschafft, obwohl wir oft nah dran waren, wir haben hier die Auslosung im Verdacht, kann aber auch an den starken Gegnern gelegen haben.
Unter diesen Spielern war TuS Hellersdorf in der Berliner Verbandsliga eine absolute Institution, ein Powerhouse in Hellersdorf, Halle mit der besten Stimmung in der Liga, in vielen Saisons die Ligapolizei und einer der unangenehmsten Gegner für jedes andere Team.

Diese Spieler werden nun in ihren wohlverdienten Handballruhestand gehen. Wir wünschen ihnen hierfür alles Gute und werden sie für immer in unseren TuS Hellersdorf-Herzen tragen. Aber es gibt noch ein letztes Spiel zu spielen. Ein letztes Hurra zu geben. Ein letztes Bier zu trinken. Wir freuen uns, wenn ihr mit uns gemeinsam Abschied nehmt von diesen besonderen Spielern. Am kommenden Sonntag in der Eile um 14:00. Es ist vermutlich eure letzte Gelegenheit. Auf das Ende einer Ära.